Januar 2024: Publikation Siegerprojekt

Soppelsa Architekten (Architektur) mit Sima Breer GmbH (Landschaftsarchitektur)

Anmerkung: Das Siegerprojekt aus einem Wettbewerb entspricht nicht einem Vor- oder Detailprojekt.
Dadurch können noch erhebliche Änderungen einfliessen.

Nachfolgender Text aus dem Jurybericht von skw.ch

Grundsätzliche / strategische Überlegungen

Die sorgfältige Analyse der städtebaulichen und typologischen Charakteristik des Umfeldes und des heutigen hybrid genutzten gewerblichen Areales führt die Verfasser zur Entwicklung eines eigenständigen und spezifischen Lösungsansatzes mit einem hohen Grad an Identität. Die erste Erneuerungsetappe auf dem Areal bietet eine willkommene Grundlage für die zukünftige, qualitativ hochwertige Entwicklung des Gesamtareales und stärkt die Qualität des städtebaulichen Umfeldes.

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Mit einer möglichst autonomen Grunddisposition für Wohnen und Gewerbe soll trotz der im ländlichen Kontext engen geometrischen Spielräume und der hohen Zieldichte eine überdurchschnittliche Qualität erreicht werden und gleichzeitig in ablesbarer Form der Weg der Transformation des Areals zum Ausdruck gebracht werden. Die vorgeschlagene Grundkonzeption mit gewerblichen Sockelgebäuden und darüber gelagerten, schlankeren Wohngebäuden definiert für beide Nutzungen eigenständige Alltagswelten, die jedoch gleichzeitig in enger und zwangloser Beziehung zueinander stehen. Mit der Schaffung einer hochwertigen Qualität der Wohnungen wird ein entspannter Übergang zum östlich gelegenen, bestehenden Wohnquartier erreicht. Gleichzeitig werden für das zu einem späteren Zeitpunkt zu entwickelnde westliche Areal der Eigentümer städtebaulich gute und identitätsstiftende Voraussetzungen geschaffen.

Die drei Gebäude auf dem Hauptareal sind weitgehend gleich aufgebaut und stehen in gleichem Abstand zueinander. Die tieferen Sockelgebäude bieten Raum für mit grosszügigem Abstand angeordnete, darüberliegende schlanke Wohngebäude mit ansprechender, laubengangartiger Erschliessung und attraktiv gelegenen, vorgelagerten privaten Aussenräumen. Die für Gewerbeflächen und Wohnungen gemeinsame Vertikalerschliessung erfolgt in effizient organisierter Form durch Treppenhäuser, die gut auffindbar im Bereich der östlichen Kopfgebäude Richtung Breitistrasse angeordnet sind. Durch allfällige zusätzliche Treppenhäuser im westlichen Bereich, wie es im bergseitigen Gebäude vorgeschlagen ist, kann einerseits das Wohnungsangebot z.B. durch zusätzliche Geschosswohnungen aber auch die flexible Auslegung der Gewerbeflächen weiter differenziert werden.Bei den Gebäuden mit nur einem Treppenhaus sind die Fluchtweglängen ggf. zu überprüfen.

Für den Gewerbesockel und für die Wohngebäude werden bei übereinstimmendem Achssystem unterschiedliche konstruktive, durch einen hohen Systematisierungsgrad gekennzeichnete bauliche Umsetzungen vorgeschlagen. Ob aus brandschutztechnischen Gründen die Tragstruktur der Sockelgebäude als sichtbare Stahlkonstruktion ausgeführt werden könnte, müsste überprüft werden. Die Grundrisse der Wohngebäude zeigen ein attraktives und vielfältiges Wohnungsangebot auf und weisen gleichzeitig einen für die vorgeschlagene Holzbauweise räumlich und ökonomisch willkommenen, hohen Systematisierungsgrad auf. Der hohe Systematisierungsgrad der Struktur leistet mit seiner planerischen, betrieblichen und längerfristiggewährleisteten Anpassbarkeit an spätere Nutzungsbedürfnisse einen zentralen Beitrag zur Nachhaltigkeit.

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Freiraum / Erschliessung

Die intensive Durchgrünung und freiräumlich differenzierte Ausgestaltung der benannten Gassenräume bildet zusammen mit der redimensionierten und mit Vegetation durchsetzten Breitistrasse grundsätzlich ein tragfähiges und überzeugendes Konzept. Der Ankunftsplatz wirkt in seiner adressierenden Position hinsichtlich den verkehrlichen Anforderungen einerseits und den möglichen Aufenthaltsqualitäten noch unentschieden. Das ortsbauliche Potenzial soll im Zusammenhang mit dem im Gestaltungsplan zwar vorgesehenen, formal jedoch schwierigen Annexbau überprüft werden. Dazu erscheint eine vertiefte und grundsätzliche Untersuchung der Lage der Tiefgaragenzufahrt im Bereich Gebäude Süd und die direkt südwestlich angrenzende Baufeldentwicklung der 2. Etappe in der Gesamtbetrachtung einer attraktiven Platzsituation auch aus Sicht der zukünftigen Bedeutung für diesen Bereich sinnvoll. Gewerbe-, Garten- und Wohngasse bezeichnen Freiräume, die in ihrer Charakteristik noch nicht geklärt sind. Die Funktion der Gewerbegasse erfordert gemäss Programm eine weit höhere Nutzbarkeit in Bezug auf Anlieferungsmöglichkeiten und wird im Zusammenspiel mit dem vorhandenen Höhenversatz einen entscheidenden Einfluss auf die Begrünbarkeit haben und eher einem Gewerbehof entsprechen. Die Gartengasse weist in Abhängigkeit der effektiven Erdgeschossnutzungen ein gutes Entwicklungspotenzial auf. Die Wohngasse entspricht vielmehr einer begrünten Wohnstrasse mit infrastrukturellen Bereichen. Das Thema des bewegten Spielkorridors findet eine gute Resonanz, eine Weiterführung des gestalteten Grünkorridors in Richtung Wald könnte sinnstiftend sein. Die Nutzung und Gestaltung der Dachflächen mit begehbaren Bereichen und einer intensiven Begrünung dürfte für die Bewohner interessant sein, da die Weitsicht thematisiert werden könnte. Die Abgrenzung und Organisation zwischen allgemeinen und privat genutzten Dachgärten müsste sorgfältig untersucht werden.

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Gewerbeflächen / Anlieferung

Das Konzept der Anlage bietet attraktive Grundvoraussetzungen mit über die Grundstückstiefe abgestuften Lagequalitäten und vielfältiger Interpretierbarkeit der gewerblichen Flächen. Es ist gekennzeichnet durch mehrfache Anbindungsmöglichkeiten (Platz / Strasse / Höfe / Vertikalerschliessungen). Nicht wirklich nachgewiesen ist eine Anlieferungsmöglichkeit für einen auf Platzniveau denkbaren Grossverteiler. Vermutlich wäre die angedeutete Anlieferung auf dem oberliegenden Erschliessungshof aufgrund der beengten Verhältnisse kaum konfliktfrei lösbar. Intensiv diskutiert wurde die Frage, ob das am Zugangsplatz – und im Gestaltungsplan ohne Abtauschmöglichkeiten vorgegebene – vorspringende Sockelgebäude für die Entwicklung der ersten Realisierungsetappe aber auch für die langfristige weitere Entwicklung nicht schwierig lösbare Präjudizien bezüglich Freiraumqualität und Erschliessungsfunktionen schafft.

 

Wohnungen

Das Wohnungsangebot ist gekennzeichnet durch seine attraktive Grunddisposition bezüglich Besonnung und Aussicht in erhöhter Lage. Es ist ein breites Spektrum möglicher Wohnungstypen, Maisonetten, Geschosswohnungen, Kleinwohnungen und Atelierwohnungen etc. nachgewiesen. Die Präzisierung des Wohnungsangebotes und der Konzeption der Wohnungen im Detail soll im Rahmen der weiteren Bearbeitung erfolgen.

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Dichtemass

Der dargestellte Projektvorschlag weist eine gegenüber anderen Projekten etwas kleinere Dichte auf. U.a. sind in den ersten Obergeschossen zugunsten grosszügig angelegter zweigeschossiger Gewerberäume nur sehr kleine zentrale Nutzflächen vorgeschlagen worden. Die entsprechenden Grundrisse sind nur im Flächennachweis dargestellt. Hier besteht je nach gewählter gewerblicher Nutzungsart allenfalls ein wesentliches Verdichtungspotenzial. Ob die im Rahmen der Projektpräsentation in genereller Form vorgeschlagene Erhöhung der Gebäudetiefen eine Verdichtung ohne Qualitätsverlust ermöglichen würde, müsste sehr vorsichtig geprüft werden, da die freiräumlich bereits knapp bemessenen Zwischenräume ein kritisches Mass erreichen könnten. Denkbar ist auch die sorgfältige Prüfung örtlicher Massnahmen zur Erhöhung der Dichte z.B. durch örtliche Erhöhung der Gebäudetiefe im Gewerbesockel oder allenfalls im Bereich der Kopfgebäude. Im Weiteren bieten die Gewerbegeschosse die Möglichkeit, auf lange Sicht, falls aus raumplanerischer Sicht erwünscht, den Wohnanteil zu vergrössern.

 

Äussere Erscheinung

Das Konzept für die äussere Erscheinung stellt im Grundsatz einen kohärenten Ansatz dar. Es besteht die Absicht, durch unterschiedliche Metallverkleidungen der rahmenartigen Fassadenstruktur den hybriden und auf Veränderungen reaktionsfähigen Charakter der Neubauten sinnfällig und konstruktiv machbar zum Ausdruck zu bringen. Dennoch wurde teilweise hinterfragt, ob insbesondere im Bereich der Wohngebäude mit ihrem vielfachen, direkten und unmittelbaren haptischen Bezug im Alltag der Bewohner nicht eine etwas stimmungsvollere Alternative gefunden werden könnte.

 

Gesamtwürdigung

Beim Projektvorschlag Soppelsa / Sima Breer handelt es sich um ein ausgesprochen stimmungsvolles, identitätsstiftendes und ebenso nachhaltiges Konzept, das sowohl für die Weiterentwicklung des Gesamtareals als auch für die städtebauliche Entwicklung der umgebenden Quartiere gute Voraussetzungen und wichtige strategische Impulse in Bezug auf Nutzung, Freiraum und längerfristige Interpretierbarkeit der baulichen Strukturen gibt.

 

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